Tücher und Bücher. Von Augsburg in die Niederlande: Hein Kohn (1907-1979). Brechtfreund, legendärer Exilverleger, Literaturagent und Kulturvermittler.
Sonderausstellung im Brechthaus 2026
Die Ausstellung erzählt die Geschichte des gebürtigen Augsburgers Hein Kohn. Mit dem jüdischen Tuchmacher Samuel Kohn, dessen Ansiedlung in Augsburg der bayerische König 1837 erlaubt hatte, wurden die Kohns in Augsburg ansässig, sind bis 1938 als Kaufleute und Unternehmer, Tuchmacher und Textilhändler vielfältig in Augsburg in der Textilbranche tätig.
Hein Kohn, 1907 in Augsburg geboren, Enkel des Tuchmachers Samuel Kohn und Sohn des wohlhabenden Augsburger Kaufmanns und Agenten Eugen Kohn, absolviert in Augsburg erst eine Lehre in der Textilbranche. Dann wird er, der Bücher über alles liebt, Volontär in der berühmten Augsburger Buchhandlung Lampart & Comp. Hier lernt er Brecht kennen, dem er immer wieder Bücher leiht. Ein Leben lang werden sie in Kontakt stehen. Kohn setzt seine Lehre an der Buchhändlerschule in Leipzig fort, wo er auch politisch aktiv wird. Nach Stationen in Berlin, Bremerhaven und Hamburg als Lektor, Verleger und Buchhändler, flüchtet er 1933 am 5. Mai, fünf Tage vor der Bücherverbrennung, ins Exil nach Hilversum zu Paul Baumgärtner, einem Augsburger Freund, der bei NSF (Philipps) arbeitet. Die Nazis sind Kohn auf den Fersen. In Hilversum arbeitet Kohn zuerst für den sozialistischen Arbeiterrundfunk VARA. Mit dem gleichfalls nach Hilversum geflüchteten Sänger und Schauspieler Ernst Busch tingelt er für VARA mit einem Unterhaltungsprogramm durch die Niederlande. Busch singt das Solidaritätslied von Brecht auf Niederländisch, Kohn druckt und verkauft es. Noch 1933 gründet Kohn in Hilversum seinen ersten Exil-Verlag, Boekenvriend Solidariteit.Auf Niederländisch druckt und verlegt er, was die Nazis in Deutschland verbrannt und verbannt haben. Brandende Woorde uit Duitsland (Brennende Worte aus Deutschland), der erste Titel, ist sofort ausverkauft. 1939 publiziert Kohn Brechts Dreigroschenroman in seinem Exilverlag Het Nederlandse Boekengilde auf Niederländisch. Heute zählt Kohns Exilverlag zu den drei bedeutendsten Exilverlagen der Niederlande. 1940, nach der Besetzung der Niederlande durch das NS-Regime, ist Kohn in permanenter Lebensgefahr. Bald lebt er versteckt auf dem Dachboden des Hauses, in dem er in Hilversum wohnt. Seine verlegerischen Aktivitäten setzt er im Untergrund fort. Nach 1945 wird Kohn in Amsterdam Leiter des Verlagshauses Van Ditmar.
1951 gründet er eine bis heute bestehende legendäre Literaturagentur Internationaal Literatuur Bureau B.V., deren Netzwerk bald um die ganze Welt reicht. Hein Kohn ist einer der ersten Literaturagenten der Niederlande. Die internationale Literaturagentur wird, nachdem Hein Kohns Sohn Menno sie 1970 übernommen hatte, heute in dritter Generation in Amsterdam von seiner Enkelin Linda Kohn geführt. Die von Hein Kohn gegründete Literaturagentur Internationaal Literatuur Bureau B.V. feiert im Jahre 2026 bereits ihr 75-jähriges Bestehen.
Dem Schriftsteller Rolf Hochhuth zufolge war Kohn der „Kurier des deutschen Geistes in Holland“: Was daheim verbrannt worden war durch den Machthaber Hitler – das drucktest Du neu, die deutsche Dichtung fand durch Dich und wenige andere in Amsterdam ein Archiv, ein Sprachrohr (…). Seit Hitlers Tod bist Du endlich der, sozusagen, offizielle Kurier des deutschen Geistes in Holland. (Rolf Hochhuth 1972).
In der Ausstellung sind spannende Objekte aus Augsburg und den Niederlanden zu sehen, darunter auch solche zu Brecht.
Auch wenn Hein Kohn bis zum Ende seines Lebens in Hilversum lebte, so blieb er seiner Heimatstadt Augsburg doch eng verbunden. Das Logo für seine Literaturagentur ließ Kohn 1951 von seinem Augsburger Freund, dem Grafiker Eugen Nerdinger, anfertigen.
In den 1970er Jahren beauftragte Kohn den bekannten Städtemaler Ernst Metz damit, ein Gemälde von Augsburgs Innenstadt für ihn anzufertigen. Besagtes Gemälde von Augsburg beabsichtigt Menno Kohn im Rahmen der Ausstellung zu verkaufen.
Zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch von der Kuratorin Dr. Ingvild Richardsen im Volk Verlag in München.
Ausstellung und Buch werden gefördert von:
Ilse-Blank-Mezger-Hesselberger-Stiftung
Dr. Eugen Liedl Stiftung
Hubertus Altgelt-Stiftung
Bezirk Schwaben
Peter Dornier Stiftung
Viermetz-Stiftung
Netzwerk Jüdische Geschichte und Kultur in Bay.-Schwaben e.V.
Ausstellungsgestaltung:
creativeJAM GbR
Markus Komposch, Christoph Komposch
https://www.creativejam.de/

Dr. Ingvild Richardsen (Foto: Daniel Biskup)